Seiteninhalt
Chancen trotz Klimawandel
Obst und Gemüse sind die Zukunft. Jedenfalls, wenn es ernsthaft darum gehen soll, für eine wachsende Weltbevölkerung genügend Nahrung bereitzustellen, die nicht nur die Menschen gesund hält, sondern auch den Planeten. Die Planetary Health Diet (PHD) wurde von der EAT-Lancet-Kommission entworfen als Antwort auf die Frage, wie im Jahr 2050 innerhalb der ökologischen Belastungsgrenzen der Erde rund zehn Milliarden Menschen ernährt werden können. Als Basis ermittelten die Wissenschaftler einen Speiseplan, bei dem Obst und Gemüse etwa die Hälfte der Nahrungsaufnahme ausmachen sollen, gefolgt von Getreide und pflanzlichen Proteinen.
„Tierische Erzeugnisse sollen bei der Planetary Health Diet gar nicht vom Teller verschwinden“, sagte Nils Ole Plambeck vom Think Tank Agora Agrar auf dem Fresh Produce Forum der FRUIT LOGISTICA. „Wenn wir aber einfach weniger Fleisch essen würden, hätte das einen enormen Effekt für die Abschwächung des Klimawandels.“ Obst und Gemüse spielten also eine wichtige Rolle, um dem Klimawandel zu begegnen, und sowohl die Produktion als auch die Nachfrage würden in Zukunft stark steigen, ist Plambeck überzeugt.
Wo bleibt die Aufbruchstimmung?
„Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, dass bei den Produzenten Goldgräberstimmung herrscht“, ergänzte er. Denn natürlich wirke sich der Klimawandel durch höhere Temperaturen, mehr und stärkere Extremwetterereignisse und veränderte Niederschlagsmuster auch auf den Anbau von Obst und Gemüse aus. „Wir müssen uns auch eingestehen, dass wir ein Thema mit dem Umweltschutz haben, und dafür müssen wir Lösungen finden“, mahnte er – und meinte damit sowohl die politischen Rahmenbedingungen als auch die Produzenten selbst. Gegenüber der Politik könne die Frischfrucht-Branche ihre Forderungen ruhig selbstbewusster vertreten als bisher, empfahl Plambeck: „Sie haben das Produkt, den Markt, die Skills“ – für eine defensive Rolle gebe es keinen Grund.
Wie Produzenten selbst Lösungen für einen klimaresilienten Obstanbau entwickeln können, zeigt das Beispiel des französischen Erzeugerverbands Blue Whale. Rund 260 Familienbetriebe gehören dem Konsortium an, überwiegend Apfelbauern aus vier Anbaugebieten, die jeweils mit völlig unterschiedlichen klimatischen Anbau- und Bodenbedingungen zu tun haben. Frankreich sei schon mitten drin im Klimawandel – mit erheblichen Temperaturanstiegen seit den 80er-Jahren, Überflutungen, Starkwinden und Dürreperioden, berichtete Marketingleiterin Christelle Bertin auf dem Panel „Klimawandel – neue Wege und neue Chancen“.
Erzeuger erforschen nachhaltigen Obstanbau
Deshalb hat sich Blue Whale mit fünf Partnern zum Konsortium „(Re)Generation Fruit“ zusammengeschlossen, um unter anderem zu erforschen, wie Obstplantagen wassersparender und nachhaltiger betrieben werden können, wie die Bodenqualität verbessert wird und wie sich bis zu 50 Prozent Pflanzenschutzmittel einsparen lassen – und das alles unter der Vorgabe, dass es sich auch für die Landwirte weiterhin ökonomisch rechnet. Zwölf Millionen Euro werden in das Projekt investiert, im Jahr 2028 sollen konkrete Ergebnisse vorliegen. „Das wird nicht einfach“, räumte Bertin ein. „Aber wir haben eine Vision und wir werden gemeinsam einen Weg finden.“
Tomaten für heiße Temperaturen und lange Transporte
Die Entwicklung von Gemüsesorten, die entweder klimaresilient sind oder im CEA-Anbau (Controlled Environment Agriculture) gut funktionieren, ist die Aufgabe der BASF-Tochter Nunhems, die Gemüsesaatgut entwickelt. Zurzeit habe das Unternehmen rund 1.200 Gemüsesorten im Angebot, von Feld-Karotten bis zu Gewächshaus-Tomaten, berichtete Vize-Präsident Maximilian Becker. So hat BASF unter anderem die „Arya“-Tomate für den indischen Markt gezüchtet, die nicht nur mit erhöhten Temperaturen und 30 Prozent weniger Wasser auskommt, sondern auch lange Transportwege und Lagerzeiten in warmer Umgebung gut übersteht. Andere Projekte konzentrieren sich auf Salatsorten oder Gurken, die in Hightech-Umgebung wachsen und geschmacklich überzeugen sollen. Aber auch BASF arbeite mit zahlreichen Partnern aus allen Teilen der Wertschöpfungskette zusammen, um neue Sorten für die aktuellen Herausforderungen zu entwickeln. „Diese Aufgabe ist zu groß, als dass es einer alleine schaffen könnte“, sagte er.